…dass du immer deinen Humor im Gepäck hast…


Von Maxi Kindling

Lieber Peter,

ich habe erst bei den Vorbereitungen für deine Verabschiedung am IBI jeden Tag ein wenig mehr realisiert, dass du nicht mehr als mein Chef und als mein Doktorvater am Institut sein wirst, wenn ich aus der Elternzeit zurückkomme. Auch ich möchte gerne einen kurzen Blick auf die vergangenen Jahre zurückwerfen.

Ich habe 2006 als studentische Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungsbereich Informationsmanagement angefangen. Ich habe mich damals sehr unbedarft auf eine Ausschreibung als SHK beworben und kannte dich nur vom Namen als Leiter des Rechenzentrums. Ich hatte zuvor keine Gelegenheit, deine Lehrveranstaltungen zu besuchen, u. a. weil ich wegen eines Auslandssemesters eine Weile gar nicht am IBI war. Von Themen wie dem Elektronischen Publizieren oder Informationsmanagement hatte ich keinen blassen Schimmer bzw. hatte ich durch die Gründung von LIBREAS. Library Ideas im Jahr 2005 und der Unterstützung von Ben Kaden bei der Gestaltung des IBI-Webangebots meine ganz eigenen Ideen davon. Mit LIBREAS unterstützten wir den Open-Access-Gedanken noch bevor an deinem Lehr- und Forschungsbereich aus der Idee ein Herzensthema wurde. Es war für mich eine sehr wichtige und wertvolle Erfahrung, sich an jemandem wie dir orientieren zu können, der sich mit Leidenschaft und großem Engagement für eine Sache wie Open Access einsetzt.

Zu Beginn meiner Tätigkeit als SHK bei dir hast du mir zwar ziemlich deutlich gesagt, was du von den damals drei Jobs und meinem darüber hinausgehenden Engagement bei verschiedenen Verbänden und bei LIBREAS gehalten hast. Aber du hast es dennoch mir überlassen, wie ich damit perspektivisch umgehe. Die Hauptsache war, dass der IBI-Job darunter nicht litt. Letztlich musste ich die anderen Stellen dann aufgeben, weil ein Studienabschluss sonst in noch weitere Ferne gerückt wäre, aber auch weil die Arbeit am IBI am besten zu meinen Interessen gepasst hat und weil dieser Job die größte Herausforderung war mit einem unglaublich breiten Spektrum an Arbeiten.

Es wird dir als Chef sicher häufig so gegangen sein, dass du mit Menschen zusammengearbeitet hast, die von einem Thema noch nicht besonders viel Ahnung hatten. Du hast deinen Mitarbeitern aber stets den Raum gelassen, sich zu entfalten und hast dir zugleich viel Zeit genommen, um dem Einzelnen auf die Sprünge zu helfen und sei es mit einem deutlichen Wort. Eine zufriedenstellende Arbeit abzugeben, war gar nicht so einfach. Dennoch hast du immer wieder die richtigen Worte gefunden, dass daraus nicht Frustration, sondern Motivation wurde. So war es immer das allergrößte, von dir ein Lob zu bekommen – und wenn es kam, ist man gleich einen halben Meter gewachsen.

In der Zusammenarbeit kamen häufig Gegensätze zutage. So bin ich eine ausgesprochene Nachteule und so manches Mal erntete ich dein großes Erstaunen, wenn ich auch um 9 Uhr kaum aus den Augen gucken konnte und du andersherum meinen tiefen Respekt für deine frühmorgendlichen Aktivitäten. Zum Glück teilen wir die Leidenschaft für (viel) Kaffee, so dass es stets Abhilfe für mich gab und ich wusste, dass ich bei dir nicht immer extra “Hallo” ins Büro rufen musste, wenn die Tür zu war, denn früher oder später trafen wir uns ohnehin an der Kaffeemaschine.

Auch in sprachlicher Hinsicht unterscheiden sich unsere Ansätze – du prägnant und ohne Umschweife, ich oft ausschweifend, immer auf der Suche, möglichst alle Perspektiven zu berücksichtigen und das möglichst in einem einzigen Satz wie diesem mit vielen, vielen Kommas zu Papier bringend. Das hat dich das eine und andere Mal verzweifeln lassen und deine Ausdrucke von meinen schriftlichen Ergüssen waren immer voll mit fein säuberlich notierten Anmerkungen und vor allem mit Fragezeichen. Mein einziger Trost hier war, dass es vielen anderen auch so ging. Ich erinnere mich auch an Gespräche z. B. über das Thema meiner Magisterarbeit, aus denen wir beide so manches Mal ratlos herausgingen. Jedenfalls fühlte es sich für mich so an. Inzwischen ist es so, dass ich selbst gelernt habe, meine Kolleginnen und Kollegen und Studierende mit der Exaktheit von Begriffen zu nerven. Sie dürfen sich daher gerne bei dir bedanken!

Viele der Autorinnen und Autoren des E(-hren)-Journals und insbesondere diejenigen, die einmal Studierende bei dir waren, bekräftigen den Respekt, den sie vor dir hatten und die natürliche Autorität, die du ausgestrahlt hast – auch ich werde beispielsweise den Moment nicht vergessen, in dem du mir das “du” angeboten hast (es war nach meinem Studienabschluss im März 2010 auf einer Konferenz in Potsdam) und ich weiß, dass es anderen Kollegen genauso ging. In dieser Hinsicht warst du eher an traditionellen Werten orientiert, zugleich waren dir – so wie man es sich von einem modernen Chef wünscht – die  persönlichen Belange deiner Mitarbeiter wichtig und du hast dir um sie viele Gedanken gemacht. Viel mehr als manch einer vielleicht glauben mag oder realisiert hat.

Rückblickend kann ich festhalten, wie wichtig die dir eigenen festen Positionen und Haltungen für mich und auch viele andere Kolleginnen und Kollegen waren – sie gaben uns Sicherheit und des Öfteren überlege ich, “was würde Peter jetzt tun?” oder “was würde Peter jetzt antworten?” Das hat zur Folge, dass eine Mail auch bei mir inzwischen kurz und knapp geraten kann. An anderer Stelle wie bei diesem Text bleibe ich aber gerne ausschweifend und schreibe lange Sätze 😉  Das Schöne an der Zusammenarbeit war außerdem, dass du immer deinen Humor im Gepäck hast, auch wenn wir über das Wort “eigentlich”, die Farbe von Präsentationsfolien oder deine Abneigung gegen das Festhalten an einer Wasserflasche diskutieren.

Wenn man so viele Jahre und in meinem Fall fast vom Beginn meines beruflichen Lebens an, zusammenarbeitet, hinterlässt das natürlich Spuren sowohl im privaten wie auch im beruflichen Leben. Ich weiß, dass ich großes Glück habe, einen Chef und Doktorvater wie dich zu haben und noch viel größeres Glück, dass du auch den gesundheitlichen Ausfall so gut überstanden hast und ich heute diesen Brief an dich richten kann. Ein Stück weit wächst man in einer solchen Zeit auch in persönlicher Hinsicht zusammen und so ist es einfach eine tolle Fügung und für mich wie ein Zeichen, dass die Geburt unserer Tochter mit deinem (65.) Geburtstag zusammenfällt. In beruflicher Hinsicht möchte ich damit schließen, dass ich jedem Berufsanfänger, jedem Studierenden, jedem Promovierenden, jedem Kollegen wünsche, dass er einen Peter Schirmbacher an seiner Seite hat! Danke für alles!