Zwei Jubiläen: 20 Jahre Open Access und 15 Jahre AGEP an der HU Berlin


Von Sabine Henneberger für die Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren

Ganz genau ist der Zeitpunkt, wann an der Humboldt-Universität (HU) zum ersten Mal Gedanken über Open Access und die Publikation elektronischer Dokumente in die Öffentlichkeit getragen wurden, nicht bestimmbar. Es muss aber spätestens 1997 gewesen sein, denn damals erschien in den RZ-Mitteilungen der Artikel „Die elektronische Publikation von Dissertationen an der Humboldt-Universität zu Berlin“ der Autoren Peter Schirmbacher und Norbert Martin. Im gleichen Jahr startete das Projekt Dissertationen-Online an verschiedenen deutschen Universitäten, unter anderem auch an der HU mit der Projektgruppe Digitale Dissertationen (DiDi).

Abb. 1: Projektseite von DiDi 1998

Von dieser Zeit an konnte man elektronische Dissertationen im Internet finden, welche auf einem Server der HU bereitgestellt wurden. Die Ziele waren anspruchsvoll: Dissertationen und andere Hochschulschriften sollten in den Formaten SGML, HTML und PDF bereitgestellt, Metadaten mit bibliothekarischem Sachverstand erfasst werden.

Abb. 2: Dissertationen im Internet Januar 2001

Abb. 3: Der edoc-Server im September 2001

Damit wartete ein großer Berg Arbeit auf die Mitglieder der Arbeitsgruppe DiDi. Hatte man damals wirklich eine Ahnung davon, wie groß dieser Berg sein würde? Vielleicht nicht sofort, aber schon kurze Zeit später kam ein Mitglied der AG zu der Ansicht: „Mit der weiteren Entwicklung von XML wird sich jedoch auch die Browserunterstützung verbessern, so daß eine direkte Publikation im WWW möglich wird. Auch die Tools für die Konvertierung werden ständig erweitert. Somit ist zu erwarten, daß hier in naher Zukunft die meisten der technischen Probleme beseitigt sein werden.“

Ein wichtiger Meilenstein für das Elektronische Publizieren an der HU war der Beschluss des Akademischen Senates von 1998, die elektronische Veröffentlichung auf dem edoc-Server als der Publikation auf Papier gleichwertig zuzulassen. Von nun an wurde die Universitätsbibliothek einbezogen und es sprach sich nach und nach unter den Promovierenden herum, dass es da eine äußerst moderne und kostengünstige Variante für den Erhalt der Publikationsbescheinigung gibt. Diese Variante verband sich jedoch für beide Seiten, die der Promovierenden und die der AG DiDi, mit einigem Aufwand, mussten doch Vorschriften formuliert und eingehalten, Vorlagen und Workflows programmiert und benutzt, Schulungen durchgeführt und besucht und nicht zuletzt öffentlich geworben werden. Und dann fehlte auch noch die Software, die aus dem Server einen wirklichen Dokumentenserver machen kann. Kurzum: Die AG DiDi, wie es sie bisher gab, konnte diese Aufgaben nicht bewältigen. So wurde im Jahr 2002 die Arbeitsgruppe „Elektronisches Publizieren“ (AGEP) gegründet, in der Bibliotheks- und Rechenzentrumsangehörige vertreten und die den Direktoren des Rechenzentrums und der Universitätsbibliothek (UB), Peter Schirmbacher und Milan Bulaty, direkt unterstellt waren.

Abb. 4: Milan Bulaty und Peter Schirmbacher beim Unterschreiben des Gründungsdokumentes der Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren.

In den darauffolgenden Jahren wurden unzählige Projekte, vor allem bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, unter der Leitung von Peter Schirmbacher beantragt, bewilligt, bearbeitet und erfolgreich abgeschlossen. Die Runde, die sich regelmäßig zur Besprechung freitags traf, war groß. Der Kauf eines Content Management Systems erwies sich leider als Flop und man beschloss, selbst zu entwickeln. Das Ergebnis war das Dokumentenserversystem edoc, welches im Jahr 2004 online ging.

Abb. 5: Der edoc-Server im Internet im Jahr 2003

Abb. 6: Der edoc-Server im Internet im Jahr 2006

Das Aussehen hat sich mehrfach gewandelt, aber die Software, welche seitdem zuverlässig Open-Access-Publikationen über das Internet in die Welt verbreitete, blieb bis heute prinzipiell die gleiche. Der edoc-Server wurde zu einer verlässlichen Institution und nahm eine Pionierrolle unter den Dokumentenservern Deutschlands ein. Es blieb nicht bei der Publikation von Hochschulschriften. Der edoc-Server wurde unter anderem die Publikationsplattform für Herausgeber von Zeitschriften des Goldenen Weges des Open Access und für Zweitveröffentlichungen der Wissenschaftler der HU. Ohne die Beantragung zahlreicher weiterer Projekte durch Peter Schirmbacher und der Bewilligung der dazugehörigen Mitarbeiterstellen wäre all das unmöglich gewesen.

Abb. 7: Projektlogos

Die Mitglieder der AGEP, festangestellte Mitarbeiter, Projekt- und studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, waren gefragte Vortragende und Diskussionspartner auf nationalen und internationalen Konferenzen. Sie arbeiteten bei DINI und nestor mit und waren in der Open-Access-Community aktiv.

Der Plan, anderen Institutionen einen Hostingservice anzubieten, wurde für das Robert-Koch-Institut in die Tat umgesetzt.

Abb. 8: Vielfalt beim Browsing

Viele solcher Dokumentenserver folgten überall in der Welt nach und boten ihre Dienste an. Die Open-Access-Publikationslandschaft entwickelte sich weiter. Nicht alles, was man sich Anfang der 2000er-Jahre vorgenommen hatte, erwies sich im Lauf der Zeit als durchführbar und sinnvoll. So wurden im Jahr 2012 die Vorhaben, XML als Format für die Langzeitarchivierung und HTML als Darstellung im Internet zu verwenden, aufgegeben und das Format PDF favorisiert. Nun konnte der Routinebetrieb mit vertretbarem Aufwand erfolgen und die wachsende Anzahl der Publikationen bewältigt werden. Die Digitalisierung und Publikation von historischen Dokumenten, welche in der HU zunächst von der AGEP als Pilotprojekt betrieben wurde, übernahm die Universitätsbibliothek.

Abb. 9: Der edoc-Server im Internet im Jahr 2014

Die AGEP wurde kleiner und besteht inzwischen aus fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des CMS und der Universitätsbibliothek und einem studentischen Mitarbeiter. Seit 2016 liegt die Leitung der AGEP in der Universitätsbibliothek.

Seit mehreren Jahren ist klar, dass es keine Weiterentwicklung der Dokumentenserversoftware geben wird, da inzwischen andere, in vieler Hinsicht modernere Systeme existieren, welche für ein Aufgabenspektrum geeignet sind, welches man vor 20 Jahren noch nicht absehen konnte. Die Wahl fiel auf DSpace und die Migration dorthin ist bald abgeschlossen. Mit DSpace wird dem edoc-Server eine neue Qualität verliehen, welche schon im Namen ausgedrückt wird. Er wird zukünftig edoc-Publikationsserver heißen und neben Textdokumenten auch Forschungsdaten archivieren und publizieren.

Wenn der Zeitpunkt gekommen sein wird, dass die Migration abgeschlossen und der „alte“ edoc-Server offline ist, geht für alle Beteiligten die erste Ära des Elektronischen Publizierens an der Humboldt-Universität zu Ende, die in maßgeblicher Weise von Peter Schirmbacher geprägt wurde. Der edoc-Server wird einer von vielen anderen sein. Sein Alleinstellungsmerkmal ist dann obsolet. Sicher ist aber, dass die Landschaft des elektronischen Publizierens in Deutschland und vielleicht auch darüber hinaus ohne Peter Schirmbacher eine andere wäre.